Dienstag, 30. Mai 2017

Kennedy Meadows nach Independence

Meile 702 bis 789

Wir beginnen den ersten Tag mit einem guten Frühstück. Das "Grumpy Bear's" in Kennedy Meadows holt Hiker direkt am Campingplatz beim Store ab und serviert Speck mit Eiern und Pancakes "all you can eat". Das stellt sich aber leider als Marketingscherz heraus, da die Pfannkuchen so riesig sind, dass wir mit Müh und Not einen schaffen.

Nach dem Frühstück lassen wir uns gleich beim Trail absetzen und sparen uns den Weg auf der Teerstraße. Die randvollen Bärenkanister sind schwer und wir sind spät dran, deshalb planen wir nur 17 Meilen ein. Es tut gut, endlich mal durch eine andere Landschaft zu laufen. In einem weiten Tal beobachten wir einen Rettungshubschrauber bei einer Übung. Eine Person wird abgesetzt, danach wieder aufgesammelt und darf unter dem Heli hängend durch die Gegend fliegen. Darauf hätte ich auch mal Lust!

Für unsere erste Flussüberquerung am Kern River gibt es zum Glück eine Brücke. Der Fluss hat gut das Doppelte der ursprünglichen Größe, die Schneeschmelze ist in vollem Gang.
Kern River

Wir campen bei Meile 719 auf 8500 Fuß und freuen uns, dass hier entgegen den Vorhersagen noch kein Schnee liegt. Am nächsten Tag gibt es auf 10500 ft. lediglich kleine Schneefelder, die kein großes Problem darstellen. Wir entscheiden uns dennoch, bei unserem Plan zu bleiben und campen bei 731 an einem sehr schönen Platz am Fluss. Den freien Nachmittag nutzen wir zum Lesen und sitzen gemütlich am Lagerfeuer - tatsächlich das erste Mal auf dem PCT. Als ich zum Wasser holen zurück zum Fluss gehe, finde ich einen angespülten Snickers-Riegel am Ufer. Haben das Hiker-Schlaraffenland gefunden? Leider bleibt es bei dem einen Riegel, der Fluss ist wohl nicht sonderlich spendabel.

Der nächste Tag ist für uns entscheidend: Wenn wir langsam unterwegs sind und nur über den ersten Bergrücken gehen, reicht uns das Essen bis Independence, allerdings nicht für den Extratag, den wir für die Besteigung des Mnt. Whitney brauchen würden. Gehen wir 9 Meilen weiter, können wir uns am Whitney versuchen. Wir kommen recht gut voran und überholen sogar eine Gruppe, die einen Tag vor uns los gegangen ist. Ein Blick auf ihre Ausrüstung sagt auch wieso: Einer trägt einen Teppich mit sich, der andere stapft tatsächlich mit Converse Schuhen durch den Schnee! Sie haben es allerdings auch nicht weit, da sie nach Lone Pine absteigen wollen. Der Abstieg zweigt am Trail Pass ab, den wir am frühen Nachmittag erreichen. Danach wird der Weg schlagartig härter: Wir müssen eine verschneite baumbestandene Nordflanke queren. Vor uns ist niemand, weshalb wir keiner Spur folgen können und uns den Weg selbst suchen müssen. Mitten im Hang sinkt Jeff ein und beim Versuch, sich wieder hoch zu stemmen, bricht sein Carbon-ultraleicht Trekkingstock. Ausnahmsweise bin ich echt froh über meine uralten schweren Alustöcke, er darf jetzt die nächsten Tage mit nur einem Stock meistern.

Kurz vor dem Cottonwood Pass wird der Trail wieder leichter. Die Hiker, die nach Lone Pine absteigen, kommen hier normalerweise wieder auf den Trail und sparen sich somit den anstrengenden Nordhang.

Da der Weg komplett unter Schnee verborgen ist, queren wir einfach ein weites Tal und steigen auf der anderen Seite zum Chicken Spring Lake auf. Obwohl der Anstieg nicht weit ist, sind wir vollkommen fertig, als wir endlich ankommen. 20 Meilen im Schnee sind ein ganz anderes Kaliber als in der Wüste!

Wir finden zum Glück einen halbwegs schneefreien Platz für unsere Zelte und können aus dem aufgeweichten See Wasser schöpfen. Leider ist die Nacht jedoch etwas windig.

Von Meile 751 wollen wir die Abzweigung zum Mnt. Whitney bei 766 erreichen. Vor allem Steffi ist vom Vortag leider noch sehr geschafft. Zudem müssen wir mittags den erstaunlich großen und reissenden Rock Creek überqueren. Wir haben zum Glück unsere Trailrunner mitgenommen, die wir in der Wüste getragen hatten, sodass wir nicht barfuß gehen müssen - trotzdem sind wir froh, als wir das andere Ufer erreichen.

Crabtree Meadows 
Wir lassen uns von der Sonne trocknen und beratschlagen, ob wir 6 Meilen weiter gehen oder hier bleiben wollen, was uns die Chance auf den Whitney nehmen würde. Steffi erklärt sich nach anfänglichem Zögern doch bereit, noch weiter zu gehen, da Jeff und ich den höchsten Berg der USA gerne mitnehmen würden. Wir quälen uns also den nächsten verschneiten Hang rauf und irren weglos durch den Wald, immer mit Blick auf das GPS im Handy, da vom Trail keine Spur zu sehen ist. Kurz vor 6 Uhr abends erreichen wir Crabtree Meadows, in der ein Campingplatz sein sollte - und stehen vor einer verschneiten Fläche, durch die sich ein breiter Fluss windet. Auf der anderen Seite können wir einen schneefreien Platz ausmachen, also beeilen wir uns, den Fluss zu überqueren, bevor die Sonne hinter den Bäumen verschwindet. Beim Versuch, vom verschneiten Ufer in den Fluss zu kommen, bricht Jeff eine große Eisscholle ab. Ich kann gerade noch zurück springen und meinen Rucksack daran hindern, in den Fluss zu fallen.

Schnell bauen wir am anderen Ufer die Zelte auf und kochen unser Abendessen. Da Steffis Füße arg wund sind, entscheidet sie sich dagegen, den Whitney zu besteigen und gönnt sich lieber einen Tag Pause. Schließlich steht vor Independence ja noch der Forester Pass auf dem Programm, der mit genau 4000 m höchste Punkt des PCT.

Jeff und ich stehen also morgens um fünf alleine auf, quälen uns in unsere gefrorenen Socken und Schuhe und machen uns durch ein langes Tal auf den Weg zum Gratanstieg. Obwohl der Weg komplett unter Schnee verborgen ist, ist die Orientierung zur Abwechslung mal einfach. Wir halten uns immer links des Flusses und stehen um acht Uhr vor dem steilen Gratanstieg. Dieser ist in weiten Teilen schneefrei, die wenigen Schneefelder haben es jedoch in sich. Über den hart gefrorenen Schnee kommen wir jedoch ganz gut rüber, auch ohne unsere Steigeisen oder Eispickel einsetzen zu müssen.
Sonnenaufgang über dem Mnt. Whitney

 Oben am Grat passieren wir die Abzweigung nach Lone Pine, von wo aus der Gipfel in zwei Tagen erreichbar ist. Aus diesem Grund steigen die Meisten von dort aus auf. So früh am Morgen ist zwar noch niemand unterwegs, der Weg auf dem Grat ist zum Glück jedoch schön gespurt. Die letzten zwei Meilen und 1000 ft. sind jedoch erstaunlich anstrengend, denn allmählich macht sich die Höhe bemerkbar. Um 10 Uhr erreichen wir den Gipfel auf 4400 m Höhe. Nach ein paar Gipfelfotos, bei denen der Eispickel nun doch zum Einsatz kommt, machen wir uns wieder an den Abstieg. Jetzt kommen uns auch vier bestens ausgerüstete Hiker entgegen, die den Aufstieg von Lone Pine gemacht haben.

Auf dem Gipfel des Whitney

Die Sonne hat den Schnee im Tal aufgeweicht, und nun ist auch die lokale Fauna wach. Wir sehen einen Kojoten, der gemächlich den gefrorenen See überquert, und etliche Murmeltiere, die weitaus weniger scheu sind als daheim in den Alpen.
Um 14 Uhr sind wir zurück bei Steffi und unseren Zelten, können den Nachmittag in der Sonne entspannen und die nassen Stiefel trocknen.

Der nächste Tag soll mit nur 9 Meilen ruhiger werden. Wir starten eine Stunde später als üblich und kommen ganz gut voran. Einzig der Abstieg durch einen sehr steilen Nordhang ist etwas haarig, mit Microspikes kommen wir ganz gut runter. Im Tal wartet der Wallace Creek auf uns, den wir bei einer Gabelung überqueren.
Der verhältnismäßig kleine Wallace Creek

Einen Arm passieren wir über eine Schneebrücke, den anderen flachen Teil durchqueren wir mit den Trailrunnern. Auch beim letzten Fluss des Tages, dem Tyndall Creek, haben wir Glück. Hier kommen wir komplett trockenen Fußes über eine Schneebrücke ans andere Ufer. So viele Nachteile wie der viele Schnee so früh in der Saison auch haben mag - diese Brücken sind super! In ein paar Wochen muss der Großteil der Hiker vermutlich durchs kalte Wasser.
Schneebrücke am Tyndall Creek

Am anderen Ufer finden wir zum ersten Mal keinen schneefreien Platz für unser Zelt. Glücklicherweise haben wir eine extra Isomatte dabei, die unseren gesamten Zeltboden bedeckt. Trotzdem wird dies die kälteste Nacht bisher.

Für den Anstieg zum Forester Pass stehen wir wieder früh auf. Über den hart gefrorenen Schnee erreichen wir schnell den Fuß des Passes. Die Südseite ist im oberen Teil weitestgehend schneefrei, lediglich im unteren Teil ist der Hang noch weiß. Hier sind jedoch zum Glück einige Spuren und Tritte drin, sodass wir verhältnismäßig problemlos den schneefreien Part erreichen - kräftezehrend ist es trotzdem, vor allem für Steffi, die sich ja nicht am Whitney in der Höhe akklimatisieren konnte. Die obere Eisrinne, vor der viele Sommerhiker am meisten Respekt haben, stellt sich im Verhältnis als Witz heraus. Hier ist eine tiefe breite Schneise im Schnee, die wir problemlos durchqueren.
Forester Pass am 29.3.17


Die Aussicht ist einmalig, und wir sind froh, den höchsten Pass des Trails gemeistert zu haben. Auf dem Abstieg können wir sogar etwas Zeit sparen und rutschen einen steilen Teil einfach auf dem Hintern runter. In der Sonne trocknet die Hose zum Glück schnell. Gegen Mittag wird der Schnee leider wieder matschig und wir rutschen durch einen verschneiten Wald zum tiefsten Punkt. Obwohl es erst kurz nach Mittag ist, beenden wir den Tag wieder. Im weichen Schnee ist es einfach zu mühsam, außerdem finden wir einen schönen schneefreien Platz direkt am Fluss.
Cowboycamping im Schnee

Wir sind wieder recht tief, deshalb beschließen wir, das Zelt heute mal nicht aufzubauen und Cowboy-campen. Anderntags steht "nur" noch die Überquerung des Keasarge Passes und der Abstieg zur Straße an. Wieder klettern wir weglos durch den steilen verschneiten Wald und sind froh, endlich den Passanstieg vor uns zu haben. Auch hier sind im unteren Bereich wieder steile Schneefelder, allerdings nicht ganz so schlimm wie am Forester. Der Abstieg auf der komplett aufgeweichten Ostseite ist nass, geht aber zum Glück schnell. Trotzdem weiß ich noch nicht, wie wir durch den Matsch jemals wieder hoch kommen sollen...

Am Trailhead nimmt uns spontan kein Auto mit, aber ein anderer Hiker meint, dass nur 2,8 Meilen weiter ein Campingplatz sei, von dem man sicher mehr Chancen hätte. Zusammen machen wir uns auf den Weg die Serpentinen hinab, aber es will einfach kein Campingplatz kommen. Da hat wohl jemand Luftlinie mit kurviger Straße verwechselt. Zum Glück sammelt uns nach knapp 2 h ein Arbeiter auf und fährt uns runter nach Independence. Dort treffen wir auf Steve, der sich sein Geld wohl damit verdient, Hiker durch die Gegend zu fahren. Er macht das natürlich auf Spendenbasis, will aber trotzdem einen recht stolzen Betrag für die restliche Strecke nach Bishop. Na ja, durch drei geteilt ist es halb so wild, und wir sind einfach froh, nach 13 Tagen mal wieder zu einer warmen Dusche zu kommen. Bei dem Gestank den wir verbreiten, hätte uns vermutlich per Anhalter niemand mitgenommen.

2 Kommentare:

  1. Hallo ihr... schön dass ihr heil unten im Tal angekommen seid. Unser Hitch fuhr uns nach Lone Pine, gehen morgen aber ev.noch nach Bishop. Vielleicht sehen wir uns ja noch, ansonsten Happy Trails und hebt euch Sorg! Scaredy Cat und Bob Ross

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  2. Hi. Schön von euch zu hören. Wir starten heute unseren Weg nach VVR. Das Ressort hat noch nicht offen, da die Straße noch nicht offen ist. Laut ihrer Facebook Seite versuchen sie aber heute bis zu ihrem Ressort zu kommen und posten danach einen Lagebericht. Wir hoffen jetzt einfach, dass sie bis dahin offen haben. Grüße Stefanie und Sebastian

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