Freitag, 12. Mai 2017

Meile 454 bis 566

Agua Dulce nach Tehachapi

In Hiker Heaven frühstücken wir erst mal unsere restlichen Jalapeno Semmeln und können sogar noch etwas Kaffee abgreifen. Der weitere Weg führt lange Zeit an der Strasse entlang. Wir schleppen viel Essen und Wasser mit, und ich merke deutlich, dass ich trotz der vielen Pizza die letzten Abende recht viel abgenommen habe. Der Hüftgurt meines Rucksacks schlabbert arg und das ganze Gewicht liegt auf den Schultern, sodass es mir einen Nerv abdrückt und der linke Arm bis in die Fingerspitzen schmerzt. Bei der nächsten Gelegenheit brauche ich einen neuen Rucksack!

Wir machen 20 Meilen und gönnen uns ein luxuriöses Knorr-Gericht, das wir mit getrocknetem Hackfleisch aus einer Hikerbox verfeinern. Was die anderen Hiker so an Essen zurück lassen, wundert mich immer wieder.

Am nächsten Morgen wachen wir mit Regen und Nebel auf. Es ist bitterkalt und wir steigen einige Meilen zu einer überdachten Rest Area ab. Hier treffen wir den Marlborough Man mit seinen beiden Pferden wieder, der gerade aufbrechen will. Leider ist es auch hier nicht wärmer, und nachdem wir unsere Hände kaum noch bewegen können und es immer nässer wird, beschließen wir, uns erst mal bei dem nächsten Trail Angel aufzuwärmen.

Das "Casa de Luna" von Terie Anderson liegt nur 2 Meilen die Straße runter. Nach einer Meile bergab sammelt uns eine Helferin von Terie auf und liefert uns direkt vor der Haustür ab. Unter einem Pavillon im vollgestellten Vorgarten sitzen schon viele andere Hiker und gucken betröpfelt. Terie begrüßt uns mit einer Umarmung - wohl ihr Markenzeichen - und bittet uns erst mal herein, als die merkt, wie durchgefroren wir sind. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so schnell so unterkühlt gewesen zu sein - der Gewichtsverlust macht sich deutlich bemerkbar.

Wir werden mit Kaffee, Pancakes und Heizdecke aufgepäppelt und müssen uns dann wieder nach draußen zu den anderen gesellen. Der Ort ist eine ziemliche Hippie-Absteige, und die selbstgedrehten Zigaretten der anderen Hiker enthalten wohl nicht nur Tabak. Das Wetter bleibt weiterhin schlecht, und da wir eh etwas arg früh dran sind, beschließen wir, heute hier zu bleiben. Gegen Mittag frieren wir immer noch und der Qualm im Pavillion geht mir etwas auf die Nerven. Wir siedeln deshalb in ein nahegelegenen Café um. Nach Burger und heißer Schokolade geht es uns weitaus besser.

Campen bei Hippies im Wald

Gegen Abend serviert Terie ihren berühmten Taco-Salat, von dem wir schon viel gehört haben und auf den ich sehr gespannt war. Das Ganze ist eine Art Buffet, bei der sich jeder die Zutaten nacheinander aufschichtet. Die unterste Lage bilden Tortillachips, gefolgt  von warmen Bohnen. Danach kommt Käsesoße, Sourcream, Reibekäse, Kraut, pürierte Tomaten, Zwiebeln, Oliven, Jalapenos und scharfe Soße. Schmeckt so wie es klingt, wir holen uns beide natürlich noch Nachschlag.


Pünktlich zum Abendessen treffen wir ein deutsches Pärchen wieder, mit dem wir auch gestartet sind. Gemeinsam ziehen wir an nächsten Morgen nach Pancakes und Kaffee weiter. Zuvor schaffe ich es noch, mir online einen neuen Rucksack zu unserem nächsten Etappenziel Tehachapi zu bestellen.
Unsere Gastgeber machen noch ein Abschiedsfoto von allen, und Terie hat eine ganz eigene Methode, die Leute zum lachen zu bringen. Sagen wir so, wir wissen jetzt den Grund, wieso es Casa de Luna heißt...

Zum Glück ist es nach dem Regen schön kühl und wir müssen uns erst mal wenig Sorgen um Wasser machen. Trotzdem steht vor Tehachapi eine lange wasserlose Strecke an. Um diese so zu splitten, dass wir möglichst wenig mittragen müssen, beschließen wir tags darauf, 24 Meilen bis Hikertown zu laufen, obwohl wir von diesem Ort eher Negatives gehört haben. Dort angekommen, stellt sich das Ganze als eine ehemalige alte, heruntergekommene Westernkulisse heraus. Der ebenso alte Besitzer kassiert $ 20 und wir dürfen dafür in einem alten Wohnwagen nächtigen. Wir sind froh, dass wir das Zelt nicht aufbauen müssen, da es sehr windig ist. Der Wohnwagen ist allerdings extrem dreckig. Wir  wählen das Bett, dessen Laken weniger Blutflecken hat und breiten unsere Schlafsäcke aus.

Das andere Pärchen fährt noch zum nahegelegenen Laden zum Abendessen und bringt uns noch ein paar Snickers und Chips als Wegzehrung für die nächsten Tage mit. Die nächste Etappe geht über 17 wasserlose Meilen am LA Aquädukt entlang,  eine Strecke, die aufgrund der Hitze oft nachts bewältigt wird. Da es jedoch nicht so warm werden soll, beschließen wir unseren Rhythmus nicht zu ändern und laufen wie gewohnt am nächsten Morgen um 6 los.


Gegen Mittag haben wir wieder Wasser, und da wir so schnell voran gekommen sind, beschließen wir einen neuen persönlichen Rekord aufzustellen - ein 27 Meilen Tag, also 43 km. Damit erreichen wir die letzte Wasserquelle vor Tehachapi und haben am nächsten Tag nur noch 21 Meilen zur Zivilisation. Leider ist der Zeltplatz extrem windig, sodass uns der Kocher beim Abendessen mehrmals ausgeblasen wird. Bis der Wind gegen Mitternacht abflaut, liegen wir schlaflos im Zelt und hoffen, dass die Stangen nicht brechen.

Morgen am LA Aquädukt. Kurz danach verläuft das Wasser leider in einer Pipeline.



Wir haben erst mal genug von Windturbinen

Entsprechend müde schleppen wir uns am nächsten Tag weiter, vorbei an endlos vielen Windturbinen. Vormittags treffen wir noch auf eine nette Überraschung: Freundliche Leute haben  einen Wassercache mit Campingstühlen und Kühlbox eingerichtet und wohl erst tags davor frisch aufgefüllt. Wir bekommen ein gekühltes Getränk und sogar einen Apfel!



Auf dem Weg mache ich mir etwas Sorgen, da wir den ersten Bus in die Stadt knapp verpassen und mindestens 2 h auf den nächsten warten müssten. Am Highway angekommen, frage ich deshalb kurzerhand einen Pickup-Fahrer, ob er uns nicht mitnehmen könnte. Kann er, und somit sind wir ganz ohne Wartezeit auf dem Weg in die Stadt. Der Fahrer hat noch nichts vom PCT gehört und ist sichtlich beeindruckt. Er schenkt uns eine Tüte mit frischen Pfirsichen und fährt uns bis ins Stadtzentrum, obwohl er selbst noch einige hundert Meilen weiter muss.

Wir kaufen noch einige Lebensmittel ein und machen uns auf den Weg zu dem kleinen Sportflughafen des Ortes, bei dem man günstig zelten kann. Erstaunlicherweise sind wir die einzigen Hiker dort, obwohl der Platz recht gemütlich und windgeschützt ist. Liegt wohl zumit daran, dass abends um 8 die Rasensprenger angehen. Leider verläuft auch die Bahnstrecke daneben, und im Gegensatz zu Deutschland besteht der Bahnverkehr in den USA hauptsächlich aus endlosen Güterzügen, die bevorzugt nachts fahren. Das wäre noch nicht so schlimm, wenn nicht jeder Zug bei der Durchfahrt mehrmals laut pfeifen würde... Na ja, man gewöhnt sich an alles.


Flughafencamping

Tags darauf haben wir volles Programm: Wäsche waschen, ich hole meinen Rucksack von der Post (die erstaunlich weit entfernt ist und jenseits des Highways liegt), und mittags sind wir mit dem anderen Pärchen beim All you can eat Chinesen verabredet. Irgendwann legt dieser uns die Rechnung hin und räumt die Teller nicht mehr ab, vier hungrige Hiker sind wohl etwas nicht so gut fürs Geschäft.

Der Nachmittag vergeht mit Vorräte  besorgen und Schuhe kaufen. Meine Trailrunner fallen auseinander und wir holen uns im Hinblick auf die Sierra Stiefel, die sich im Schnee hoffentlich besser machen.

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