Donnerstag, 31. August 2017

Cascade Locks bis Manning Park

Nonstop durch Washington - der Endspurt

In Cascade Locks angekommen, gönnen wir uns erst einmal wieder ein großes Eis. Auch hier hat der Laden wieder ein Sonderangebot für zwei große Eimer Eis, das wir nicht ausschlagen können. Nachdem sich jeder mehr als 1,5 Liter Eis genehmigt hat, machen wir uns auf die Suche nach dem örtlichen Campingplatz.


Brav alles aufgegessen, dann wird das Wetter sicher gut!
 Hier sitzen schon einige andere Hiker im Schatten, und zusammen verbringen wir einen gemütlichen Nachmittag. In der nahegelegenen Brauerei gibt es Freibier für PCT-Hiker, das wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Auf den Bierdeckeln haben die jeweiligen Spender Sprüche hinterlassen. Größtenteils sind die Texte motivierend, aber bei einem steht: "You will never make it!" - Na ja, auch Freibier muss nicht immer recht haben.

Da der Laden im Ort wieder recht teuer ist, und wir für 20 Tage  Vorräte kaufen müssen (unser erstes Resupplypaket mit 5 Tagen Essen hatten wir schon von Medfort versendet), fahren wir am nächsten Tag in den Nachbarort Hood River zu einem Walmart. Nach dem Großeinkauf versuche ich noch, einen Sportladen zu finden, der mir meine Darn Tough Socken austauscht. Dieser Service wurde in Kalifornien von den meisten Shops am Trail angeboten, da die Firma eine Garantie auf ihre Socken gibt. Hier im Norden scheint es aber nicht mehr üblich zu sein, also muss ich das löchrige Paar wohl oder übel per Post einschicken.

Nachdem wir insgesamt drei Pakete geschnürt und an die nächsten Orte auf dem Trail versendet haben, ist der Tag auch schon wieder fast vorüber. Wir beschließen, noch einen weiteren Zerotag anzuhängen und vor der letzten anstrengenden Etappe etwas zu entspannen. Der Campingplatz ist schließlich sehr schön am Columbia River gelegen und lädt zum Baden ein. Außerdem gibt es in einem nahegelegenen Laden Blaubeermilchshakes! Das einzige Manko sind die vielen Züge, die vor allem nachts laut pfeifend auf beiden Seiten des Flusses auf und ab fahren.

Cascade Locks bis White Pass

Anderntags starten wir wieder zu unserer gewohnten Zeit um kurz vor sechs, um der Hitze im bevorstehenden langen Aufstieg etwas zu entgehen. Zunächst müssen wir allerdings die Bridge of Gods nach Washington überqueren. Der dramatische Name kommt aus einer alten Indianersage: Die "Brücke der Götter" war in ihrer Mythologie eine Felsbrücke, welche beim Kampf der Söhne des Großen Geistes zerstört wurde. Vermutlich wurde der Columbia River vor vielen Jahren durch einen großen Erdrutsch an der Engstelle kurz vor Cascade Locks zugeschüttet, sodass eine natürliche Landbrücke entstand, welche die beiden Ufer verband.
Heute ist die Brücke eine Stahlkonstruktion mit Gitterboden, durch den man wunderbar in die Tiefe sehen kann, während man versucht, so gut wie möglich dem regen Verkehr aus dem Weg zu gehen. Wir sind beide froh, auf der anderen Seite angekommen zu sein.

Die Bridge of Gods
Der Aufstieg in den ersten beiden Tagen nach Cascade Locks zieht sich, am zweiten Tag sind es laut unserer App über 7000 Fuß Anstieg - mehr als 2100 m. Noch geht der Weg hauptsächlich durch langweiligen Wald, trotzdem finden wir jetzt schon viele Blaubeeren. Diese werden uns bis zum Ende begleiten, es gab keinen Tag, an dem wir nicht mindestens eine Handvoll verdrückt haben. 
Beim Überqueren einer Forststraße treffen wir zwei Biker, die uns fragen, ob wir Dayhiker seien. Nein, etwas länger sind wir schon unterwegs. Wo wir denn gestartet seien? Als ich "Mexiko" entgegne, können sie es kaum glauben und schenken uns spontan ein paar leckere selbstgemachte Cookies. Außerdem erzählen sie uns, dass der Weg in ein paar Tagen schöner und die Aussicht besser wird. Zum Glück!

Zunächst werden wir allerdings wieder an Oregon erinnert: Wir durchqueren ein Gebiet mit vielen Seen und Schneefeldern - ideal für Mücken, die sich im Schmelzwasser vermehren. Am frühen Nachmittag wird es Steffi zu viel und wir verkriechen uns zeitig im Zelt. Am nächsten Tag wird die Mückenplage zum Glück schon gegen Mittag besser, das Schlimmste scheint überstanden zu sein.

Entgegenkommende Hiker hatten uns am Morgen Hoffnung gemacht, als sie von einem Trailangel erzählten, der an der nächsten Forststraße Trailmagic verteilt. Sie hätten dort gestern Abend jede Menge Tacos und Bier bekommen. Wir beeilen uns mit dem Abstieg, aber als wir ankommen, ist dort niemand mehr. Etwas enttäuscht ziehen wir weiter. Einige Stunden später haben wir doch noch Glück: An der Straße Richtung Trout Lake haben die lokalen Hostels eine große Tonne aufgestellt, die wohl kurz vor unserer Ankunft frisch mit Leckereien gefüllt wurde. Wir bekommen Eiskaffee, Kekse und Gummibärchen, die erste Trailmagic in Washington!

Von nun an wird der Trail tatsächlich schöner. Wir machen Mittag bei der Lava Spring, einer Quelle, die aus einem Haufen Lavagestein sprudelt. Das Wasser lockt viele Tiere an, und wir verbringen einige Zeit damit, Eichhörnchen und Chipmunks beim Spielen zuzusehen und eine Maus beim Nestbau zu beobachten.

Tags darauf gelangen wir in die Goat Rock Wilderness, einem der schönsten Abschnitte bisher. Wir sind rasch über der Baumgrenze und haben tolle Ausblicke über die umliegende Gebirgslandschaft. Nach einem kleinen Schneefeld gelangen wir über einen kahlen, windigen Grat hinab ins nächste Tal.


In der Goat Rock Wilderness

Abstieg 

Nachdem wir unser Zelt aufgebaut haben, gesellt sich noch ein chinesisches Pärchen zu uns, das wir zuvor noch nie auf dem Trail gesehen haben. Sie zelten direkt neben uns und unterhalten sich bis kurz vor Mitternacht recht lautstark. Wir sind natürlich wie die meisten anderen an die "Thru-Hiker Midnight" um 21 Uhr gewöhnt und revanchieren uns dafür, in dem wir morgens um halb 6 etwas lauter als sonst zusammenpacken.

Am nächsten Tag ist es nur ein kurzes Stück bis nach White Pass, wo wir unser erstes Resupplypaket aufsammeln. Wir gönnen uns zusätzlich eine Soda, und obwohl wir recht viele Vorräte haben, können wir uns einen Blick in die Hikerbox nicht verkneifen. Jackpot! Diese ist ausnehmend gut gefüllt und wir bekommen neben Blaubeerpoptarts sogar eine ganze Tafel Schokolade - eine echte Seltenheit in den USA. Außerdem treffen wir Box wieder und erfahren, dass wir das Schweizer Pärchen Scaredy Cat und Bob Ross, welches einen Tag vor uns gestartet ist, nur knapp verpasst haben.

White Pass bis Snoqualmie Pass

Derart gestärkt und motiviert ziehen wir am frühen Nachmittag noch 13 Meilen weiter. Vorbei an Seen und vielen Mücken gelangen wir zu einem schönen und etwas insektenärmeren Platz an einem Fluss. Das Wasser ist zwar eiskalt, aber wir freuen uns trotzdem, uns mal wieder waschen zu können. 

Tags darauf treffen wir schon früh auf viele Dayhiker, ein Zeichen, dass es wohl Wochenende sein muss und ein schönes Stück bevorsteht. Nach einem langen Anstieg gelangen wir tatsächlich an den sehr malerischen Dewey Lake. Ich nutze die Gelegenheit, mal wieder meine Klamotten zu waschen und schwimmen zu gehen. Leider trete ich im Schlamm auf einen scharfkantigen Stein und schneide mir den Zeh auf - etwas unpraktisch, wenn man den ganzen Tag drauf steht. Zum Glück ist der Schnitt nicht allzu tief, trotzdem spüre ich ihn die nächsten Tage bei jedem Anstieg.

Eingang zum Mount Rainier National Park

Nach einem Trailhead gelangen wir in den Mount Rainier Nationalpark und steigen weiter zum Sheep Lake auf. Als wir dort unser Wasser nachfüllen, schaut ein sehr neugieriges Streifenhörnchen vorbei und klettert mir sogar kurz am Bein hoch!


Immer wieder sehen wir nun Mount Rainier, der aber leider wie auch das umliegende Bergpanorama hinter einem Dunstschleier liegt. Die umliegenden Feuer haben offenbar zu viel Smog produziert. Nachdem wir weiter über die Sourdough Gap aufgestiegen sind und uns auf einem ausgesetzten Grat befinden, braut sich einige Meilen vor uns ein Gewitter zusammen. Wir beeilen uns, weiter zu kommen, trotzdem sehen wir kurz darauf den ersten Blitz einige Meilen entfernt auf der anderen Seite des Tals. Kaum fünf Minuten später sehen wir an der Stelle des Einschlags eine Rauchsäule aufsteigen! Das Gewitter kommt immer näher und wir sind froh, als wir einen tiefergelegenen Sattel erreichen. Eigentlich wollten wir an diesem Tag noch weiter, aber in Erwartung des Unwetters bauen wir rasch unser Zelt auf. Besonders komfortabel ist der Platz nicht, aber wir hatten schließlich schon schlimmere Zeltplätze. Kaum haben wir jedoch das Zelt aufgebaut und zu Abend gegessen, hat sich das Gewitter verzogen. Kurz überlegen wir, nochmal zusammenzupacken und weiter zu ziehen, aber schließlich siegt die Faulheit.

Am nächsten Morgen ist es kühler und etwas regnerisch, deshalb beschließen wir, unsere Mittagspause bei einer kleinen Hütte zu machen, um gegebenenfalls einen Regenschutz zu haben. Bis dorthin wird das Wetter zwar wieder besser, aber unser Timing stellt sich trotzdem als perfekt heraus: Nicht ganz eine halbe Stunde nach unserer Ankunft kommt ein Pärchen mit großen Rucksäcken vorbei und stellt sich als lokale Trailangel vor. Sie sind gekommen, um die Kühlbox in der Hütte mit Sodas, Obst und Chips zu füllen. Wir bedienen uns natürlich gleich und nutzen die Gelegenheit, ein Foto von den großzügigen Spendern zu machen. Schließlich sieht man ja die Leute oft gar nicht, die hinter den Leckereien am Wegesrand stehen.

Die Trailangel der Government Cabin
Derart gestärkt ziehen wir weiter, und da wir von gestern noch etwas Strecke gut machen müssen, beschließen wir, einen 31 Meilen Tag zu machen. Als wir am angepeilten Campingplatz ankommen, sind dort schon die Schweizer und Thomas, ein junger Däne, dem wir auch immer wieder begegnen. Schön, mal wieder mit alten Bekannten zu zelten!

Als wir am nächsten Morgen aufwachen, ist der Wald in Nebel gehüllt und es regnet. Wir kramen unsere bisher wenig genutzten Regenklamotten raus und laufen los. Das trübe Wetter drückt auf die Stimmung, sodass wir froh sind, als gegen Mittag die Sonne rauskommt und es wieder etwas wärmer wird. Nach dem gestrigen langen Tag sind wir zwar beide weniger fit, beschließen aber, trotzdem den Mirror Lake als Tagesziel anzupeilen. Von dort aus wären es tags darauf nur noch 9 Meilen bis nach Snoqualmie Pass zu unserem nächsten Paket. Wir kommen langsam voran, sodass die Schweizer schon angekommen sind und dabei sind, ein Feuer zu machen. Wir setzen uns noch eine Weile dazu, verabschieden uns dann aber bald ins Zelt, da es recht kalt wird.

Gegen Mitternacht herrscht im Zelt der Schweizer auf einmal helle Aufregung. Offenbar hatten sie schon in früheren Nächten Probleme mit Mäusen gehabt, die sich durch das Zelt gefressen und sich an ihren Vorräten vergriffen hatten. Dabei waren sie offenbar so unerschrocken, dass sie sich partout nicht mehr vertreiben ließen. Nach einiger Zeit hatten die beiden ihre Matten kurzerhand nach draußen gelegt und unter freiem Himmel weiter geschlafen, während die Mäuse sich im Zelt über eine Packung Erdnüsse hermachten. Wir befürchten schon das Schlimmste, aber dieses Mal war es zum Glück nur falscher Alarm.

Der darauffolgende Morgen ist zwar trocken, aber dennoch recht kalt. Wir freuen uns, als wir am späten Vormittag bei Snoqualmie Pass ankommen. Der Pass ist eine Interstate-Raststätte sowie ein kleines Skigebiet, und wir steigen an den Liften vorbei ab zur Chevron, die gleichzeitig als Poststation fungiert. Als wir unser Paket abholen wollen, meint der gelangweilte Postbeamte nur, dass wir hinten in der Ecke nachsehen sollen, da seien alle Pakete für PCT Hiker. Tatsächlich finden wir unser Paket nach einigem Suchen in dem umfunktionierten Kühlraum. Keiner will einen Ausweis sehen oder interessiert sich nur ansatzweise dafür, mit wie vielen Paketen wir raus laufen. Ich will gar nicht wissen, wie viel hier verloren geht…

Wir beschließen, im an das Hotel angrenzenden Pancake House zu frühstücken. Die Blaubeerpancakes sind zwar gut, aber wir haben nach einer Portion immer noch Hunger. Inzwischen sind wir elf Tage am Stück unterwegs und unser Appetit wächst von Tag zu zu Tag. Die Bedienung scheint mit Hikern nicht viel anfangen zu können, unser Kaffee wird - im Gegensatz zu dem der anderen Gäste - nur nach expliziter Nachfrage einmal nachgefüllt, man scheint froh zu sein, als wir wieder gehen.
Da die weitere Wettervorhersage zwar keinen Regen, aber Wolken vorhersagt, haben wir Sorge, in den nächsten Tagen unseren Solarlader nicht verwenden zu können. Deshalb setzen wir uns noch in die Lobby des Hotels und laden unsere Handys. Als wir warten, kommt plötzlich Rick herein. Ihn hatten wir zuletzt nach unserem zweiten Abstieg aus der Sierra gesehen. Er erzählt uns, dass er bei dem Feuer, dessen Start wir beim Unwetter beobachtet hatten, umgekehrt sei, da er annahm, es würde den PCT betreffen. Insgesamt hatte er wegen vieler Brände und familiärer Verpflichtungen schon einen Großteil von Oregon übersprungen. Dieses Jahr scheint es echt schwer zu sein, den Weg am Stück zu laufen.

Auch Rick war vom Service im Pancake House nicht begeistert, deshalb beschließen wir nach einiger Zeit, zusammen noch beim nahen Food Truck zu essen, bevor es für uns weiter auf den Trail geht. Dort gibt es zwar ein Freibier für uns, aber das Essen ist trotzdem enttäuschend. Einen so kleinen Burger habe ich in Amerika noch nie bekommen!

Etwas deprimiert machen wir uns auf den Weg zurück zum Trail. Unser nächster Resupply ist zwar nur 3 Tage entfernt, doch offenbar gibt es dort kein Restaurant. Zum Glück haben wir mehr als genug Essen dabei, da wir weitaus schneller vorankommen als zunächst gedacht.


Snoqualmie Pass bis Stevens Pass


Nach einem langen Aufstieg am späten Nachmittag bauen wir unser Zelt nahe des Gravel Lake auf. Die Aussicht auf das Alpenpanorama der Cascades ist wieder einzigartig, und wir fragen uns einmal mehr, wieso wir die letzten Wochen im Wald von Oregon verbracht haben, anstatt von Anfang an in Washington zu wandern.



Am nächsten Morgen wachen wir in einer Nebelwolke auf, und selbst im Zelt ist alles feucht. Im Laufe des Vormittags verzieht sich der Nebel jedoch zum Glück und wir sehen, dass der Regen doch zu etwas gut war. Der Dunst, der uns die letzten Tage die Aussicht getrübt hat, ist weggewaschen und nun haben wir freie Aussicht auf Mount Rainier und die umliegenden Berge.

Mount Rainier - nun schon sehr weit weg

Auf unserem weiteren Weg sehen wir nun immer mehr große Murmeltiere bzw. Groundhogs. Diese sind entgegen zu ihren Artgenossen in den Alpen weitaus weniger scheu und gucken schon mal neugierig aus ihrem Bau, wenn man vorbei läuft.

Neugieriger Groundhog
Auch der darauffolgende Tag beginnt neblig, als wir die Lodge beim Stevens Pass erreichen, ist es jedoch glücklicherweise wieder sonnig. Ich hole gerade unser vorletztes Resupplypaket ab, als mir Stefan und Irene über den Weg laufen. Die beiden kommen gerade von Leavenworth, einem kleinen Ort einige Meilen östlich vom Trail, der komplett im bayrischen Stil gehalten ist. Sie schwärmen uns von Würstchen und Brezen vor, sodass wir fast schon versucht sind, doch noch einen Stop im Ort zu machen. Aber es hilft ja nichts, wir wollen endlich nach Kanada! Also gönnen wir uns nur einen Kaffee in der Skilodge, die im Sommer als Hauptquartier für Mountainbiker fungiert, welche die Lifte und grünen Pisten nutzen. 

Stevens Pass bis Stehekin

Nachdem wir alle Vorräte in unseren Rucksäcken verstaut haben, geht es weiter. Nur noch ein weiterer Stop liegt zwischen uns und Kanada! Auch in den nächsten Tagen haben wir wieder viele Anstiege zu bewältigen, es sind so gut wie nie weniger als 6000 Fuß Anstieg pro Tag. Trotzdem kommen wir recht gut voran und machen täglich 25 Meilen oder mehr. Zwei Tage vor Stehekin zelten wir zusammen mit ein paar Section Hikern. Die beiden Frauen hatten den PCT 2015 gemacht, mussten aber das Stück zwischen Stevens Pass und Rainy Pass überspringen, weshalb sie es nun nachholen. Es ist inzwischen etwas kühl abends, und während wir unser kaltes Kartoffelpüree futtern und nach der zweiten Portion immer noch etwas hungrig sind, packen die beiden opulentes Essen mit Salami und heißer Schokolade zum Nachtisch aus. Irgendwie muss ich wohl arg neidisch geguckt haben, denn nach einiger Zeit fragt mich eine, ob wir nicht Wurst brauchen könnten. Ihre Wanderpartnerin hatte diese aus Kanada mitgebracht, sie sei aber partout kein Salami-Fan. Mit leuchtenden Augen nehme ich das Geschenk an, das ist wie Weihnachten!

Die beiden erzählen uns, dass wir trotz des Nebels jeden Morgen richtig Glück mit dem Wetter haben. Sie waren 2015 nur zwei Wochen später dran als wir und hatten trotzdem durchwegs Regen und Nebel, sodass sie die umliegenden Berge nur erahnen konnten. Da haben wir jetzt weitaus schönere Aussichten.

Sonnenaufgang am Lake Sally Ann
Tags darauf bekommen wir schon wieder Trailmagic: Kurz vor einem langen Abstieg treffen wir auf GoalTech, der einen großen Sack mit Chipstüten an seinem Rucksack befestigt hat und diese an Thruhiker verteilt. Kurz darauf treffen wir auch Stefan und Irene wieder, die uns von einer möglichen Abkürzung erzählen. Offenbar zweigt im Tal der alte PCT ab und verläuft bei einer Furt direkt durch den Fluss, anstatt wie der neue Trail einen 4,5 Meilen langen Umweg zu nehmen. Allerdings soll der alte Trail wenig genutzt und überwuchert sein, außerdem könnte die Flussdurchquerung je nach Wasserstand schwer werden. Wir überlegen einige Zeit, entschließen uns aber dann doch, den offiziellen Weg zu nehmen. Als wir an der Brücke ankommen, sind wir heilfroh über unsere Entscheidung. Der Fluss ist so groß und reißend, dass wir ihn nur schwer hätten durchqueren können! 
Steffi mit GoalTech
Wieder mal ist unser ursprünglich angepeilter Campingplatz voll mit Wochenendausflüglern, sodass wir noch zwei Meilen weiter ziehen und heute wieder 27 Meilen auf dem Tacho haben. Stefan und Irene gesellen sich zu uns und wir können uns Abends etwas heißes Wasser für einen Tee schnorren. Nachdem die Temperaturen nun fallen, vermissen wir den Kocher doch etwas... na ja, die letzten Tage geht es auch noch so. 

Die beiden erinnern uns außerdem daran, dass am kommenden Tag ja eine Sonnenfinsternis ist. Wir sind zwar zu weit nördlich für eine komplett verdeckte Sonne, trotzdem freuen wir uns auf das Naturschauspiel. Etwa 9 Meilen weiter soll sich der Wald wieder lichten und die Sicht besser werden. Da die Eclipse erst gegen 10 Uhr beginnen soll, haben wir es morgens nicht eilig und trinken noch einen Kaffee mit den beiden. Kurz vor 10 Uhr erreichen wir tatsächlich den Pass und verbringen die Wartezeit mit Blaubeeren pflücken. Leider haben wir keine dieser extrem abdunkelnden Sonnenfinsternis-Brillen dabei, und auch durch das Handy ist nicht viel zu sehen. Stefan hat schließlich eine Idee und betrachtet die Sonne durch ein Stück Folie einer Doritos Chipstüte. Tatsächlich ist die Sichel so erkennbar! Insgesamt wird es aber nicht viel dunkler, auch die Temperatur fällt nur leicht. Da hatten wir uns etwas mehr Dramatik erhofft...

Improvisieren ist alles! Mit einem Stück Chipstüte die Sonnenfinsternis sehen. 
Wir sind jetzt kurz vor Stehekin, und da wir erst am darauffolgenden Tag mit dem ersten Bus um 9 Uhr in den Ort fahren wollen, haben wir es heute einmal nicht eilig. Nach insgesamt 22 Meilen bauen wir unser Zelt an einem schönen und außerordentlich großen Platz am Fluss auf und nutzen den warmen Abend, um uns mal wieder etwas frisch zu machen. Die restlichen Meilen zur Ranger Station und Bushaltestelle sind schnell erledigt, und wir haben noch etwas Zeit bis der Bus kommt. Schon seit Tagen freuen wir uns auf Stehekin, nicht zuletzt wegen der berühmten Bäckerei, die knapp zwei Meilen vor dem "Zentrum" liegt und überall aufs höchste gelobt wird. Der Bus hält auf dem Weg nach Stehekin für ein paar Minuten bei der Bäckerei, und wir kaufen eine kleine Auswahl an recht teuren, aber sehr großen Zimtschnecken, Sticky Buns und Blaubeerteilchen. Eins schmeckt besser als das andere, aber unser absoluter Favorit sind die Sticky Buns. Wir fassen deshalb den Plan, am nächsten Tag auf dem Weg zurück zum Trail auf jeden Fall noch ein paar davon einzupacken. 

Die Stehekin Lodge liegt sehr schön am langgestreckten Lake Celan, und nachdem wir unser letztes Paket aufgesammelt haben, verbringen wir einen gemütlichen Nachmittag mit Lesen und Faulenzen. Zudem gibt es nach 19 Tagen endlich mal wieder eine Dusche! Abends gehen wir noch zusammen in der Lodge essen. Die Preise sind recht hoch, dafür schmeckt es recht gut. Leider sind die Portionen etwas klein für unsere nimmersatten Hikermägen. Na ja, das Frühstück in der Bäckerei wird es richten.


Lake Celan 
Voller Vorfreude warten wir am nächsten Morgen auf den Bus, in der festen Annahme, dass der Fahrer wieder einen kurzen Stop an der Bäckerei machen wird. Zu unserer Enttäuschung fährt nun jedoch jemand anders, und auf die Frage, ob er einen kurzen Halt machen würde, entgegnet er nur, dass dies nicht möglich sei - er sei ja nur der Fahrer und würde nur Regeln befolgen. Verdammt! Sehr missmutig landen wir kurz vor 9 Uhr wieder am Trailhead, wo der Bus natürlich erst einmal 15 Minuten Pause macht... die hätte er doch auch bei der Bäckerei machen können!


Stehekin bis Manning Park


Der Tag ist sehr heiß und der Aufstieg aus Stehekin sehr lang, aber zum Glück nicht weiter steil. Gegen Mittag sehen wir einen Bären im Gebüsch direkt neben dem Trail, der sich nicht weiter stören lässt. Wir schauen, dass wir weiter kommen. Irene und Stefan, die etwas hinter uns waren, berichten uns später, dass der Bär auf dem Trail war, als sie vorbei wollten. Mit viel Krach und Geklapper sind sie zusammen mit einem anderen Hiker trotzdem weiter gegangen und konnten ihn in die Flucht schlagen.

Anderntags ist es wieder eisig kalt und bewölkt. Washington kann sich echt für kein Wetter entscheiden... Bei unserer Mittagspause kommt plötzlich eine eigenartige Gestalt mit einem roten Oktoberfesthut vorbei und erzählt, dass ein älterer Hiker ein paar Meter entfernt gestürzt sei und sich die Schulter ausgekugelt habe. Blöderweise sind wir mitten in einem langen Tal und haben natürlich keinen Handyempfang. In beide Richtungen sind es 15 Meilen zum nächsten Trailhead, und eine andere Hikerin bietet an, die Strecke noch heute zu laufen und Hilfe zu holen. Der Verletzte macht es sich so gut es geht bequem, indem er sich über einen Baumstumpf legt und den Arm mit einem Stein in einer Schlinge beschwert. Na wenns hilft... Der Typ mit Oktoberfesthut, welcher sich als "Ötzi" vorstellt, bleibt bei ihm, sodass es für uns nicht viel zu tun gibt. Ötzi packt Marihuana und eine kleine Pfeife aus, und die beiden rauchen erst einmal. Schräges Gespann! 

Wir gehen weiter und treffen glücklicherweise nach ein paar Meilen zwei Dayhiker, die ein SPOT, also ein satellitenbasiertes Notrufsystem, dabei haben. Sie erklären sich bereit, bis zu den beiden zu gehen und dort Hilfe zu rufen. Somit muss der Arme hoffentlich nicht die ganze Nacht auf dem Baumstumpf liegen. 

Der Abend ist diesmal richtig kalt und wir verdrücken uns bald ins Zelt. Leider wird unsere Nachtruhe unsanft durch ein paar Rehe unterbrochen, die laut schnaubend ums Zelt ziehen und anfangen, an Steffis Trekkingstöcken zu kauen! Die Handschlaufen sind wohl derart vollgeschwitzt, dass genug Salz darin ist. Sofort stehe ich auf und bringe unsere Rucksäcke sowie die Stöcke in Sicherheit, einen Stock kann ich jedoch in der Dunkelheit nicht mehr finden. Hoffentlich hat ihn das Reh nicht zu weit getragen. 




Am nächsten Morgen ist die Temperatur zum ersten Mal seit der Sierra wieder unter den Gefrierpunkt gefallen, aber wenigstens finden wir Steffis Stock wieder. Leider ist die Handschlaufe vollgesabbert und stocksteif gefroren. Dies ist unser letzter voller Hikingtag auf dem Trail und die Aussicht ist zum Abschluss noch einmal richtig schön. Tatsächlich scheint Washington schöner zu werden, je weiter man nach Norden kommt. Wir freuen uns schon auf Kanada! Abends steigen wir noch zum Woody Pass auf, und auf den letzten Metern machen Steffis Füße arge Probleme. Schon die letzten Tage haben uns beiden die Sehnen in Ferse und Knöchel immer wieder geschmerzt, aber nun wird es immer schlimmer. Zum Glück kommen wir morgen an. Unser Plan, Washington ohne Pausentag zu durchqueren, war wohl etwas ambitioniert. Inklusive des Neros in Stehekin haben wir für die 515 Meilen (885 km) und 111000 Fuß Aufstieg (33800 m) 23 Tage benötigt.

Vom Woody Pass geht es am nächsten Morgen zum Glück nur noch bergab zum Monument 78, dem offiziellen Ende des PCT. Wir erreichen die Grenze gegen 10 Uhr morgens und können es kaum glauben, nach 20 Wochen endlich am Ende unserer Wanderung zu stehen. Es fühlt sich irgendwie etwas unwirklich an... Nach vielen Fotos und einem Zielkaffee mit Stefan und Irene machen wir uns an die letzten 9 Meilen durch Kanada bis nach Manning Park, ein Resort am Highway 3.

Gruppenfoto am Monument 78 - geschafft!
Hier dürfen wir zum Glück die Dusche des angrenzenden Swimmingpools benutzen und setzen uns frisch geduscht zusammen mit Stefan und Irene ins Restaurant. Die beiden hatten die Sierra komplett übersprungen und wollen nun nochmal zurück nach Kennedy Meadows, weshalb sie gleich den nächsten Greyhound nach Vancouver gebucht haben. Der fährt allerdings nachts um 2 ab. (Ja wirklich!) Eine Zeit, zu der wir ungern raus wollen. Unser Plan sieht vor, am nächsten Tag unser Glück mit Hitchhiken zu probieren, was bei dem regen Verkehr kein Problem sein sollte. Nach einem ausgiebigen Abendessen gehen wir zurück zum Trailhead und bauen dort unser Zelt auf. 

Leider ist unsere Nachtruhe nur von kurzer Dauer: Um 23 Uhr werden wir von freundlichen, aber bestimmten Rangern geweckt, die uns mit dem Hinweis, dass dies kein offizieller Zeltplatz sei, vertrieben. Stimmt, wir sind ja jetzt in Kanada... andere Länder, andere Sitten. Da wir zu dieser nachtschlafenden Zeit auf keinen der lokalen Campingplätze mehr kommen würden, stehen wir etwas ratlos da. Schließlich entscheiden wir uns dafür, doch den nächtlichen Greyhound nach Vancouver zu nehmen. Leider ist das WLAN in der Lodge so schlecht, dass es uns nicht gelingt, das Ticket zu kaufen. Zum Glück hat der Fahrer ein Einsehen und nachdem wir unseren Ausweis als Pfand hinterlegen, nimmt er uns mit und wir können das Ticket in Vancouver nachlösen. 

Montag, 14. August 2017

Kleines Lebenszeichen

Wie ihr bestimmt gemerkt habt, haben wir in letzter Zeit nichts geschrieben. Wir sind gerade in Snoqualmie Pass angekommen und machen uns auf die letzten zwei Wochen bis Kanada zu wandern. Leider haben wir weniger Sonne als erwartet und müssen etwas Strom sparen.  Die Einträge werden nachgeholt. - Versprochen!
Stefanie 

Donnerstag, 3. August 2017

Crater Lake nach Cascade Locks

Von Medford treten wir den Weg zurück zum Trail an. Der Bus lässt uns an einem nicht offiziellen Stop heraus, so dass wir entspannt wieder zurück zum Trail kommen. Direkt am ersten Tag kletter ich über einen Baum und dieser gibt unter mir nach. Leider sind die Äste stabiler als der Baumstamm und ich spieße mich auf, da ich mein Gleichgewicht verliere. Teilweise sind es tiefere Wunden, aber für uns geht es trotzdem weiter. Mit weniger Motivation für mich, aber nach ein paar Tagen kommt der Spaß am Wandern zurück.
Mount Jefferson 

Wir haben zu unserer Freude nur noch wenige Schneepatches und nichts allzu Irres. Die Streifenhörnchen sind gefühlt überall und zum Teil sehr zutraulich (betteln mit Hundeblick). In manchen Geröllfeldern haben Vögel Nester gebaut und man hört die Jungvögel hinaus quietschen. Ja, wirklich quietschen! Sie klingen wie Quietscheenten. Was auch immer das für Vögel sind!? Inzwischen sieht man auch öfters wieder schöne Landschaften und ist nicht den ganzen Tag nur im Wald (von Mücken gejagt). An einem See schlagen wir unser Zelt auf und genießen ein Bad im See. Das Wasser ist ungewöhnlich warm. Unser Essen hängen wir in einen Baum und legen uns früh ins Zelt. Innerhalb einer halben Stunde schläft Sebastian ein.  Ich lese noch etwas und kann ein Eichhörnchen sehen, dass lautstark den Essensbeutel den Krieg erklärt. Der Essensbeutel nimmt die Drohung gelassen zur Kenntnis. Dabei schreckt Sebastian auf und fragt verschlafen: "Was war das?" Als er hört, das ein Eichhörnchen den Lärm verursacht hat,  schläft er direkt wieder ein.
Am nächsten Morgen erreichen wir Ollali und treffen dort auf eine weitere Trailmagic. Nat, ein Trailangel, hat sich kurz vor Ollali eingerichtet um dort für hungrige Hiker Pancakes zu machen. Und sie sind unheimlich gut. Leider ist ansonsten wieder viel Wald um uns und kaum Aussicht. 
Wie jeden Morgen stehen wir früh auf und sehen noch einen Bären, der schnell das Weite sucht, als er uns sieht. Inzwischen ist es Wochenende. Das merken wir an der Anzahl der Dayhiker, die wir sehen. Der Timothy Lake scheint ein beliebtes Ausflugsziel zu sein, da viele am Ufer ihre Hängematten aufgehängt haben und zelten.
Vulkan in Sicht 

Der Weg führt uns zu schönen Aussichten. Gegen Abend kommt uns noch ein Pärchen entgegen. Es stellt sich heraus, dass es mobile Trailangel sind und auf dem Weg Kekse und Kaffee verschenken. An unserem Zeltplatz lernen wir dann noch White Russian und Names kennen. Zusammen lassen wir den Abend ausklingen.
Am nächsten Morgen müssen wir noch 5 Meilen bis zur Timberline Lodge zurück legen um dann dort das Buffet zu plündern.
Allerdings ist der Weg zur Timberline Lodge ein steiler Sandweg. Ein Schritt nach vorne ein halber zurück. Und auch nach der Lodge ist viel Sand. So verdienen wir uns erstmal unser Frühstück.
Das Frühstück in der Lodge wird als das Beste auf dem ganzen Weg gehandelt. Und ja, zurecht. Unheimlich lecker! Die nächsten Tage bis Cascade Locks träume ich davon.
Die Timberline Lodge wurde auch schon als Filmkulisse verwendet. Hier ein Tipp: "Hier kommt Johnny (Jacky)."  Wer den Film errät bekommt ein Bild eines Keks geschenkt.

Timberline Lodge 

Vollgefuttert rollen wir wieder den PCT entlang. Leider ist der Weg nicht ganz so flach wie gedacht. 
Im weiteren Verlauf des Tages gehen wir eine Alternative zum PCT, die an einem Wasserfall vorbei führt. Es gibt vor Cascade Locks noch eine weitere Alternative, die an vielen schönen Wasserfällen vorbei führt, aber diese ist wegen eines Feuers gesperrt.
Sonnenaufgang kurz vor Cascade Locks 


Mit einer etwas größeren Flussüberquerungen starten wir in den nächsten Tag. Es liegt zum Glück ein Baum darüber an dem man entlang balancieren kann.  Wackelig fühlt es sich zwar an, aber der Baum hält. An diesem Mittag müssen wir etwas mehr Wasser für den Abend mitnehmen, da das Camping am See ebenfalls verboten ist, wegen dem Feuer. Uns kommen auf dem Weg immer wieder Feuerwehrmänner entgegen und wir müssen noch etwas weiter laufen bis wir Feierabend machen können. Dafür haben wir am nächsten Tag nur noch 14 Meilen bis Cascade Locks. 
Diese schaffen wir noch vor Mittag und treffen dort Box, Bob Ross und Scaredy Cat wieder. Bekannte, die man zuletzt in Idyllwild und der Sierra gesehen hat.
Erreichen von Cascade Locks 

Inzwischen ist der halbe Weg hinter uns wegen verschiedener Brände gesperrt. Hoffentlich bekommen wir keine Probleme auf dem restlichen Weg mit Feuer. 
Stefanie